对图像的怀疑:异教知识与基督教时代

Bilderskepsis – Heidnisches Wissen und christliche Zeit

出处:Dieter Blume et al., Sternbilder des Mittelalters: Der gemalte Himmel zwischen Wissenschaft und Phantasie, Band I: 800–1200 (Berlin: Akademie Verlag, 2012), pp. 39–43.

Das Verhältnis der Christen zu dem antiken Sternenhimmel gestaltete sich von Anfang an widersprüchlich und man tat sich schwer eine klare Position zu finden. Im Schöpfungsbericht des Alten Testamentes sind Sonne und Mond ausdrücklich als besondere Lichter genannt, die Tag und Nacht voneinander scheiden sollen. Die Sterne allerdings werden nur eher beiläufig als Zusatz erwähnt. In den Psalmen wird der Himmel als Werk Gottes gerühmt und als Ausdruck seiner Herrlichkeit gewertet. Himmelsphänomene werden verschiedentlich auch als besondere Zeichen Gottes beschrieben. Im neuen Testament ist es ein Stern, der den drei Magiern den Weg nach Bethlehem weist und angesichts der Kreuzigung Christi verfinstert sich die Sonne. Dieser positiven Konnotation steht aber zugleich eine große Skepsis gegenüber, da die Sterne nach den heidnischen Gestalten benannt sind, von denen die antiken Dichter lasterhafte und unsinnige Geschichten erzählen. Schon der Kirchenvater und Bibelübersetzer Hieronymus (ca. 327–420) sprach im Hinblick auf die Verstirnungssagen von lächerlichen und hässlichen Lügen, mit denen die heidnischen Dichter sogar den Himmel verleumden, indem sie irdische Wesen als Lohn der Unzucht unter die Sterne versetzen. Auch Isidor von Sevilla (ca. 560–636) äußert sich, als er die Grundlagen antiker Astronomie erklärt, höchst abfällig über den heidnischen Wahn, alle möglichen Tiere an den Himmel zu versetzen. Eine vergleichbare Haltung spricht auch aus diversen Notizen, die mittelalterliche Autoren in einschlägigen Handschriften hinterlassen haben.

Der für die späteren Jahrhunderte so einflussreiche Augustinus (396–430) konstatierte zwar, dass eine gewisse Beobachtung der Sterne nötig sei, da durch sie und insbesondere durch Sonne und Mond der Ablauf der Jahreszeiten sowie der Wechsel von Tag und Nacht geregelt seien. Doch warnte er eindringlich vor einer intensiveren Beschäftigung, da die Himmelskunde schließ­ lich mit dem verwerflichen Aberglauben der Astrologie verknüpft war. Die Astronomie war für ihn letztlich eine unnütze Beschäftigung, da sie dem Verständnis der Heiligen Schriften in keiner Weise dienlich war.

Aber dennoch waren die christlichen Mönche gezwungen, den Nachthimmel genauer zu beobachten, als ihnen nach diesen Warnungen lieb sein konnte. Denn es war allein die Bewe­ gung der Sterne, die ihnen den Zeitpunkt für das nächtliche Stundengebet angab, das sie nicht versäumen durften. Wichtige Kirchenfeste waren zudem an die astronomischen Grundlagen des römischen Kalenders geknüpft, so feierte man die Geburt Christi an der Wintersonnenwen­ de. Größere Probleme stellten sich angesichts der Bestimmung des Osterfestes und damit des genauen Termins der Auferstehung des Herrn. Hier kam man ohne astronomische Grundkennt­ nisse nicht aus, denn es waren das römische Sonnenjahr, der hebräische Mondmonat und die heidnische Planetenwoche miteinander in Einklang zu bringen. So war es nötig das Frühlings­ äquinoktium zu bestimmen und auch den Lauf des Mondes zu beobachten.

Im Grunde jedoch wollte man sich von den verhassten Wesen der Heidnischen Mythologie nicht die fromme Zeit bemessen lassen. Deswegen wagte Gregor von Tour um 580 den grund­ sätzlichen Versuch einer Neudefinition des Sternenhimmels aus dem Geiste des Christentums. (Bamberg, Msc. Patr. 61) Den Schwan, in dessen Gestalt sich Jupiter einst der Leda genähert hatte, verwandelte er in ein christliches Kreuz flankiert von Alpha (Delphinus) und Omega (Lyra). Aus der Gruppe der Pleiaden machte er einen unverfänglichen Traubenstengel. Die Ableh­ nung der antiken Bilder geht bei ihm sogar soweit, dass er in den Zeichnungen seine neuen Stern­ bilder nicht als bildlich erkennbaren Gegenstand wiedergibt, sondern nur die abstrakte Konfi­ guration der Sterne fixiert. Allein bei der Wiedergabe von Sonne und Mond, die als figürliche Büsten zu sehen sind, wird die antike Tradition noch gewahrt. Dieser Text vertritt in seiner Ablehnung antiker Astronomie zwar eine Extremposition, die sich in dieser Form nicht durch­ setzen konnte. Er führt uns aber geradezu schlaglichtartig die besondere Problematik der früh­ mittelalterlichen Himmelskunde vor Augen.

Gregor dachte nun aber allein an das nächtliche Stundengebet und er beschrieb deswegen bloß 14 Sternbilder, die ausreichten, um über das Jahr als nächtliche Uhr zu dienen. Für die weitergehenden Fragen der Komputistik waren die Mönche weiter auf die antike Astronomie verwiesen, aber die Heidnischen Bilder wollten sie nicht. Als Beda um 725 das grundlegende Traktat zur Zeitbestimmung schrieb, ging er davon aus, dass zumindest manche seiner Leser nicht in der Lage waren, die Sternbilder zu erkennen.12 Er hielt es auch nicht für nötig, diese Dinge im Einzelnen zu erörtern. Seinem Bericht über die Tierkreiszeichen fügte er die Aufforderung hinzu »ihre genaue Stellung den Unwissenden nicht mühsam beizubringen, beschwöre ich die Wissenden«. Auch die bildliche Veranschaulichung der Sternbilder hielt er offenbar für gefährlich und so vermied er ihre Darstellung.

Erst ganz am Ende des achten Jahrhunderts lassen sich erste Spuren einer Bildtradition fassen, die sich dem Diktum der Kirchenväter entzieht und einem Bedürfnis nach Anschaulichkeit nachgibt. In zwei Handschriften die in Fulda bzw. Regensburg entstanden und den systematischen Bemühungen der karolingischen Kalenderreform noch vorausgehen, finden sich stark vereinfachte Wiedergaben der Tierkreiszeichen.

Etwa um 800 ergänzte man in Fulda eine Abschrift von Isidors Grundlagenwerk De rerum natura mit kurzen Texten zu verschiedenen Aspekten des Tierkreises und fügte ein kreisförmiges Diagramm hinzu, welches Zeichnungen der Zodiakalzeichen mit knappen Aufzählungen verbindet, die auch auf astrologische Fragen eingehen. Die Darstellungen selber stammen von einer ungeübten Hand und ihre Ikonographie ist nur vage zu erkennen. Dennoch hat der ausführende Mönch eine genaue Vorstellung von dem Aussehen der Tierkreiszeichen gehabt und dürfte entsprechende Bilder zumindest einmal gesehen haben.

Ähnliches gilt für ein Kreisschema, welches das Rund des Tierkreises um ein Büste von Sol anordnet und das sich in einer um 820 entstandnen Handschrift aus Regensburg findet, die verschiedene Texte zur Zeitrechnung aus Beda und Isidor zusammenstellt. Darunter hat der Zeichner ein langgestrecktes zweiköpfiges Tier dargestellt, das als biceps bezeichnet ist und vermutlich den wiederkehrenden Kreislauf des Jahres in einer zusätzlichen Metapher zu fassen sucht. Die Vereinfachungen und Abweichungen in der Ikonographie betreffen ähnliche Elemente wie in dem Fuldaer Codex, so dass man wohl letztlich von einer zusammenhängenden Tradition ausgehen muss. Beide Darstellungen verraten ohne Frage die Kenntnis der antiken Zodiak­Ikonographie, die aber gerade nicht sehr präzise überliefert wird. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass derartige Bildvorlagen nicht ohne weiteres verfügbar waren und die Zeichner zum Teil nach der Erinnerung gearbeitet haben. Einen entsprechenden Eindruck vermittelt auch die Wiedergabe der Planeten in Büstenform über einem gemeinsamen, stark gedehnten Körper, die gleichfalls in der Regensburger Handschrift enthalten ist.

Ein weiterer Zeichner, der ein ähnliches Diagramm in einer westdeutschen Handschrift anfertigte, entfernte sich noch weiter von der antiken Ikonographie und passte die Tierkreiszeichen seiner eigenen Vorstellungswelt an. So ist der ihm unbekannte Skorpion zu einer kleinen Echse geworden; Capricornus hat den Fischschwanz verloren und der Schütze tritt nicht als bocksbeinige Mischgestalt oder Kentaur auf. So sucht dieser Mönch die Fremdheit dieser Himmelswesen zu reduzieren, um damit vielleicht auch ihre irritierende Wirkung einzudämmen.

Diese einfachen Zeichnungen, die immerhin aus wichtigen Klöstern des Reiches stammen, können verdeutlichen, welch rudimentären Charakter gemeinhin die bildlichen Vorstellungen besaßen, die vor den Bemühungen des karolingischen Hofes mit den Sternen und der Astronomie verbunden waren.

Generell ist im 8. Jahrhundert eine Intensivierung komputistischer Studien zu beobachten, die auch mit dem ursprünglich für das Jahr 800 vorhergesagten Weltende in Verbindung stehen mögen. In diesem Zusammenhang findet in dem bedeutenden, nordfranzösischen Kloster Corbie ein griechischer Text erneute Aufmerksamkeit, der im Rahmen einer Himmelsbeschreibung auf die einzelnen Sternbilder und die mit ihnen verknüpften Mythen eingeht. Corbie besaß enge Beziehungen zu dem karolingischen Hof und sein Scriptorium ist bekannt für eine große Anzahl von Kopien der Werke klassischer Autoren. Die griechische Abhandlung wurde hier mit lateinischen Glossen versehen, die anschließend zu einem eigenständigen lateinischen Text (Aratus latinus) ausgesondert wurden. Da dieser jedoch sprachlich nur schwer verständlich war, hat man noch in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts eine vereinfachte und gekürzte Version erarbeitet (Recensio interpolata). Ob die Mönche nun aber vorwiegend an der Sprache, an den heidnischen Mythen oder an den astronomischen Fakten ihrer Vorlage interessiert waren, lässt sich kaum mehr entscheiden.

Das griechische Original, welches heute verschollen ist, muss jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach Illustrationen besessen haben. Zwar werden die Bilder vor dem 9. Jahrhundert nicht mitkopiert, doch gibt es frühe Abschriften, die für die Bilder Freiräume vorbehalten, und dadurch bezeugen, dass die Illustrationen als wesentlicher Bestandteil der astronomischen Literatur gewertet wurden. Es fragt sich allerdings, was den Schreiber oder Maler davon abhielt, die Bilder auch auszuführen? Schließlich war bei der Kostbarkeit des Pergaments jede ungenutzte Zeile Verschwendung. Möglicherweise war es aber gerade die oben skizzierte Skepsis gegenüber den heidnischen Darstellungen, die eine Kopie auch der Bilder zunächst verhinderte.

Die Sterne sind zwar der Unbeständigkeit der irdischen Welt enthoben und mit ihrem Glanz und der Regelmäßigkeit ihrer Bewegungen offenbaren sie die Harmonie von Gottes Schöpfung. So sind sie Teil der höheren Ordnung Gottes, aber zur gleichen Zeit präsentieren sie auch die heidnische Kultur und verweisen – akzeptiert man die antiken Namen – unweigerlich auf die Existenz dämonischer Mischwesen. Es ist dieser Widerspruch, der das mittelalterliche Verhältnis zu den Sternen grundlegend bestimmt.

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